Als Upcycling aufkam, gab es so eine Zeit, in der der Hype ein bisschen Überhand nahm. Jeder Scheiß wurde upgecycelt. Heute finde ich es auch manchmal noch ein bisschen strange, wenn Leute aus Klorollen Geschenkpackungen machen und aus jeder abgebrochenen Büroklammer noch was rausgeholt werden muss. Das führt irgendwie nicht zu weniger Kram insgesamt. Aber bei Stocken und Stricksachen bin ich voll dabei.
Undine Almani
Undine Almani
Hat Physik studiert und findet Laune an der Vereinbarkeit von Komplexem und Banalem. So ist das Leben eben. Sehr kompliziert. Aber oft eben auch scheißbanal. Allerdings lässt banaler Babykram sich zB. einfacher thematisieren. Und es fühlt sich besser an, sich manchmal nicht aufzuregen. Wenn sie sich doch aufregen will, schreibt sie über Umweltthemen oder die Meinung anderer Mütter.
Nicht bedürfnisorientiert erziehen, bedürfnisorientiert leben.
Jemand in meiner Familie hat diese Wortgruppe in meinem Kopf hinterlassen. Sie hat auch Kinder und es ging in einem Gespräch darum, wie man die denn nun glücklich macht. Was man so unternehmen kann und dass es schön ist, unterwegs zu sein und wenn man abends nasse, glückliche Kinder hat. Der Ausdruck hinterließ einen Nachhall in meinem Hinterkopf. Er hat so was von Zufriedenheit für mich. Die scheint mir als Elternmensch irgendwie immer seltener zu gelingen. Warum nur?
Ich fühle mich nicht anders als die Mütter fremder Kinder, bis ich ihre Wohnungen von innen sehe. Kinderzimmer, in denen der Boden mit Spielzeug bedeckt ist, oder in denen Kommoden mit Schubladen randvoll damit gefüllt sind. In denen sich in der Wohnung Wäscheberge und im Keller Kisten von Kleidung stapeln; und daneben Kisten mit Spielsachen und daneben Kisten mit dem gleichen Zeug, aber noch von den Eltern. Ich kenne das auch, aber dann merke ich: Nur in meinem Kopf erscheint es so viel. Das unterscheidet mich dann von Leuten, die sich nicht bewusst als minimalistisch bezeichnen. Es beruhigt mich auch, ganz ohne Schadenfreude, wenn andere Menschen deutlich mehr Zeug haben als ich. Es ist mehr so ein: Fuck! Zum Glück sieht es bei uns nicht so aus. Mich erschrecken die Konsumhaufen oft auch ganz schön. Und sie sind immer begleitet von dem Gefühl, dass es ja durchaus Zufall ist, dass ich nicht mehr so lebe. Dass es immer einen achtsamen Umgang mit dem Leben erfordert, ein gesundes und kleines Maß an Dingen zu halten, und sich nicht ständig zu vergrößern.
Ein Text für alle, die gerne mal wieder was von mir lesen wollen. Also nicht für mich, sondern für euch.
Ein Blog ist ein seltsames Medium. Persönlicher als ein Magazin, aber zu chic für ein Tagebuch. Was bist du? Eine Sammlung von Texten, Erinnerungen, Bildern? Ich sage auch nie Blog, obwohl WordPress ein Blogdienst ist. Ich sage Homepage. Vielleicht kommt das aus den Neunzigern. Da hatte man eine Homepage, Blogs gab es nämlich nicht. Als sie entstanden, fand ich sie lange seltsam, und als mir auffiel, wie nah das Ganze in manchen Bereichen an Journalismus heran kam, noch seltsamer. Aber es ist Unsinn, den Kopf zuzumachen, Blogs sind Blogs. Und Blogartikel sind Artikel. Trotzdem ist für mich ein großer Unterschied, dass es alles primär mir selbst dient. In allem, wirklich allem, was persönlicher ist, verarbeite ich Erlebtes oder halte es einfach fest. Weil ich keine andere schön genuge Stelle sehe, an der ich es möchte.
Den Computer aufräumen, das Smartphone auch.
Als die japanische Aufräumsoap vor einer längeren Weile auch in Deutschland erste Wellen schlug, habe ich von angehenden Minimalisten und Ordnungswütigen oft gehört, dass sie in Marie Kondos Buch ein Kapitel zum digitalen Ausmisten vermissten. Auf YouTube und Instagram kam dann auch ab und zu eine Frage danach… Wie machst du das eigentlch mit Handy und so? – Okay, gut! Hier sind meine Antworten.
Was ist digitale Ordnung?
Digitale Ordnung bedeutet Übersichtlichkeit und Strukturiertheit eines Systems bei kompakter Architektur mit maximaler Usability bzw. Anpassung an den Nutzer. Ein digitales System sollte also aufgeräumt, überschaubar und nicht zu aufgeblasen sein.
Die digitale Ordnung lässt sich meiner Meinung nach ganz gut auf die folgenden drei Kategorien anwenden: Hardware, Computerinhalte und Handhelds. Letzteres sind Smartphones, Tablets, E-Book-Reader und dein Frühstücksei- und Kaffee kochender Taschenrechner-Tageslichtwecker, oder kurz: Kleinscheiß.
In diesem Artikel werde ich nur auf Hardware, Computersystem und Entsorgung eingehen. Zum Smartphone und den anderen Dingern gibt es noch mal einen eigenen Artikel.
Ausmisten im Bad: Die ewige Cremetube und ihre beste Freundin, die vorwurfsvolle Puderdose
#aufgebraucht
Aufgebraucht ist schon ein Hashtag auf Instagram. Seit Aufräumen und Ausmisten Trend geworden ist, hat die Internetkultur die Dokumentation des eigenen Ordnungsfortschritts genauso gutmütig wie die des eigenen Konsums angenommen (wofür Instagram ja auch eher steht, also oberflächliche Schönheit und Schleichwerbung). Ich hab mich eingereiht, aus purem Opportunismus. Ich bin schlichtweg nicht ununterbrochen in der Lage, Qualitätsinhalte zu generieren. Beiträge um so Alltägliches sind da eine willkommene Pause für mein inneres Kind, das nicht ständig vom allmighty algo den Stift aufs Papier gedrückt bekommen will.
Ich versuche jetzt mal, trotzdem einen Inhalt aus diesem Ding zu machen, und euch meine allerspannendsten Ausmistetipps für Schminke und so Bad-Zeugs zu verraten. Ich finde nämlich, dass diese Sachen extrem lästig und unentspannt loszuwerden sind. Das liegt einerseits daran, dass sie sich so lange halten und nur langsam aufgebraucht werden. Andererseits gibt es viele zu spezielle Pflegeprodukte, zB. (Kurz den Kopf kratzen… Was ist ein gutes Beispiel? Was haben normale Menschen so in ihrer Badschublade… Ah ja!) Pickel-Irgendwas! So ein Schmiermichdrauf, das man nur selten braucht und selbst nach einer längeren Verwendungspause sagt man sich: Ja… aber was, wenn morgen die Akne-Fee reinschneit? Dann bin ich so richtig gefickt, ja! Lieber behalte ich dieses fast leere, in der Wirkung eher placebohafte Teil, und fühle mich in Quäntchen sicherer. Ist ja auch sehr blöd und nervig, wenn die Akne-Fee dann wirklich kommt und man den Scheiß neu kaufen muss, nicht?
Kleines Krippenkind
Eingewöhnungsverhör, Ängste und das Über-Ich
Kaum auf der Welt, schon geht es in die Kinderkrippe. Kommt mir so vor. Weil die Zeit fliegt. 10 Monate, wo sind die hin? Es tut weh und tut nicht weh, weil es ja auch so toll ist, was wir in dieser Zeit zusammen erlebt haben. In den letzten Monaten musste ich allerdings zwangsläufig oft an meine eigene Kindheit denken. Reflexionen in Anbetracht dessen, dass ich nun selbst ein Baby habe, Erinnerungen an meine eigenen Kleinkindjahre, Betreuung, Eltern, ziemlich ekelhaften Spinat… Noch eine Woche, dann soll Flauschi in die Krippe. Neudeutsch: Kita.
»Die Kita-Eingewöhnung ist oft mehr eine Mami-Eingewöhnung…«
sagt die blonde Mittzwanzigerin zu mir und meinem Mann. Sie redet v.a. mit mir, weil ich mehr rede als er, aber eigentlich sollte sie mit ihm reden. Ich habe mich nämlich aus der Affäre gezogen. Ich werde zur Eingewöhnung nicht da sein. Statt dessen gehe ich auf Vollzeit und er nimmt einen kompletten Monat Elternzeit. Mit Emanzipation hat das allerdings nichts zu tun, auch wenn es irgendwie eine ist. Aber der Grund ist eigentlich, dass ich nicht da sein will, wenn Flauschi zum Abschied quengelt oder womöglich noch weint. Ich glaube, das wäre in der Tat zu viel für mich. – Übrigens sehr skurril, dass ich bis zur Geburt nicht gedacht hätte, dass ich jemals soetwas sagen würde. Ich dachte immer, das würde sicher vor allem für das Kleine schwer, für mich aber nicht weiter dramatisch. Bin ja erwachsen und abgebrüht. Ja… Einen Scheiß bin ich!
Wie dem auch sei. Man muss, bevor man sein Kind in die Einrichtung bringt, ein sog. Eingewöhnungsgespräch über sich ergehen lassen. Es ist ein bisschen wie die Pflegeanamnese im Krankenhaus. Eine Lernschwester kommt, fragt allen möglichen Blödsinn, der später eh keine Sau interessiert (u.a. deine sexuelle Orientierung oder deine Nationalität), es sei denn, es wäre Anlass zu Flachwitzen im Schwesternzimmer… Und du fühlst dich ein bisschen ausgehorcht aber auch ein bisschen verpflichtet, alles wahrheitsgemäß zu beantworten.
»Wundern Sie sich nicht, manche Fragen klingen komisch, aber die haben durchaus ihren Sinn für uns.«
Welchen, frage ich nicht. Bin schon wieder zu überwältigt von so viel menschlicher Interaktion. Ob es bei der Geburt Komplikationen gegeben habe? Abgesehen davon, dass es mehr als einen Tag gedauert hat, bis es endlich vorbei war? Nö? Bekommen Kaiserschnittbabys hier vielleicht eine Extraportion Pudding?
Was unsere größten Ängste wären, möchte sie wissen.
»Dass ihr Plinsen meinem Kind nur Mist beibringt, den ganzen Tag beknackte Ohrwürmer eintrichtert und ihm alles verlernt, was wir mühsam aufgebaut haben? Und dass ihr einen Haufen Plastik- und Windelmüll produziert nebenbei bemerkt.« sage ich nicht. Statt dessen einigen Mann und ich uns auf »Dass sie sich verletzen könnte.«
»Oh, tatsächlich?« sagt die blonde Frau verwundert. Und diese Reaktion beruhigt mich schon fast! – Wie jetzt, die Kinder hauen sich hier nicht ununterbrochen die Rübe an? Cool.
Aber am Abend liege ich im Bett und frage mich in einem Gedankenkreis des paranoiden Misstrauens, ob das eine so eine mafiöse Leverage-Frage war. Ob die blonde Perle mich vielleicht, wenn ihr etwas nicht passt, beiseite nimmt, wenn ich Flauschi abhole, und sagt: »Wissen Sie, es kann schon mal passieren, dass ein Kind ausrutscht und sich die Zähne ausschlägt. Wir sind hier alle sehr überlastet…« Ob ich dann ein extra Essensschutzgeld zahlen muss, damit wir weiter gut »versorgt« sind?
Ich kann nicht schlafen und wälze mich, bis Flauschi auch wach wird und quäkt. Die Krippe verfolgt mich. Ich habe zwar keine Alpträume davon aber schlaffördernd ist das Thema trotzdem nicht. Ständig mache ich mir Gedanken, ob es ihr dort gut gehen wird. Mein Umfeld ist größtenteils auch keine Hilfe.
Und nein, natürlich möchte ich nicht hören: Das wird schon passen. Oder dass das alle geschafft haben. Ich war in der Krippe in der DDR nicht besonders glücklich. Ich weiß noch, dass ich alles doof fand. Doof war mein Wort für diese Zeit. Da war ich zwei. Und ich weiß es heute noch, weil man sich an Emotionales eben besser erinnert. Ich »weiß« es nicht aus Erzählungen, sondern recht bildhaft aus meinen eigenen Erinnerungen. (Ich schreibe das dazu, weil es ja doch auch viele Fake-Erinnerungen gibt, die man sich aus elterlichen Geschichten zusammenbauen kann. Aber ich habe tatsächlich viele echte Erinnerungen, zu denen sogar noch gemalte Kinderbilder existieren, zu der Zeit ab dem zweiten Lebensjahr.)
Aber manchmal wären realistische statt beschwichtigender oder übermäßiges Unheil beschwörender Kommentare ganz schön. Ich stelle mir selbst schon genug beängstigende Fragen und wenn ich eins nicht brauche, dann weitere Schreckensgeschichten. Das hat mich schon vor der Geburt genervt. (Nur, dass ihr es wisst, falls hier werdende Mütter dabei sind: Meine Geburt war komplett schmerzfrei. Ich habe gar nichts gespürt! Ein Hoch auf die moderne Anästhesiologie! Nehmt das, ihr Unken!)
Wo war ich? Ach ja. Ängste. Genau. Ich frage mich jedenfalls selbst schon die ganze Zeit, wie es werden wird… Mein gewissentliches Über-Ich hält mir Vorträge über das Elternsein und produziert täglich neue Zweifel: Schädige ich die Bindung mit meinem Flauschi? Wird ihr etwas fehlen? Wird sie traurig sein? Wird sie viel weinen? Wird sie hoch genommen werden, wenn sie weint? Wird sie gekuschelt werden?
Oder: Ist es vielleicht ganz gut, wenn andere Menschen sie auch trösten können? Wenn sie lernt, dass Trost von Menschen im allgemeinen kommen darf? Oder ist es dafür viel zu früh mit 10 Monaten?

Oder auch: Ist sie jetzt nicht viel zu isoliert, hier zu Hause? So einmal Besuch pro Monat, kaum Kinder… Sie wird raus kommen, mit anderen Kindern spielen. Sie liebt andere Kinder. Nehme ich ihr nicht etwas weg, wenn ich sie noch länger zu Hause lasse? Vielleicht gefällt es ihr dort total! Sind es nicht mehr meine Ängste als reale Bedrohungen? Sind die Erzählungen kleiner Kinder nicht oft vollkommen projektionsbedingt und verzerrt durch das Bias der Eltern? Möchte ich so eine panische Glucke sein? Möchte ich die Erinnerungen meines Kindes so prägen? Oder möchte ich lieber stark sein und positiv bleiben, um ihr keine unnötige Angst zu machen? Möchte ich nicht lieber, dass sie viel weniger ängstlich wird als ich?
Tja… Merkt ihr selbst, oder? Loslassen können ist nicht meins. Ich habe drei Jahre auf mein Flauschi gewartet, viel Zeit zum Nachdenken, und man möchte es nicht nur meinen, sondern es ist wirklich so, dass ich sie nicht hergeben will. Dieses Kind ist meine ganze Welt. Nur gibt es da diese eine blöde Sache, sie titelt: Realität fressen Leben auf.
D.h., mein Teilzeit-Studium muss irgendwann mal fertig sein. Arbeit wartet. Umzug steht an. Nein, erst mal Wohnungssuche. In München! – Hm. Geld muss verdient werden. Urlaub will geplant sein. Waschmaschine geht bald kaputt. Keller ist voll mit Zeug. Mann will noch eins (nen Baby). Und nein, daran ist nicht zu denken, bevor der Keller nicht leer ist!
Also denke ich mir, Hand aufs Herz: Wenn ich sie 15:15 Uhr abhole, haben wir noch viele Stunden zusammen. Wir können noch spielen, raus gehen, zusammen essen, kuscheln, reden, Freunde sehen, lesen, Musik machen,… Wir können auf der Heimfahrt von der Kita mit dem Fahrrad anhalten und im Wald Käfer angucken. Oder noch am See vorbei fahren.
Oder ich denke mir: In der Kita gibt es eine feste Tagesstruktur. Ich weiß, dass das Kindern gut tut. Bei uns ist es oft so turbulent. Ich bin damit beschäftigt, aufzuräumen und Sachen zu organisieren. Wir sitzen nicht den ganzen Tag da und spielen. Wir frühstücken zusammen, klar, alles wird zusammen gemacht. Aber die Qualität der Dinge, das kann ich mir schon vorstellen, ist in der Kita vielleicht eine andere, kindgerechtere, als im Haushalt zwischen all den Erledigungen.
Auch ist alles viel sicherer als in unserer Wohnung. Eine Kita ist ein großer Yes-Space (das englische postitive-thinking-Modewort für »Laufstall«). Dort sagt nicht ständig jemand »No-no!« wenn wieder was kaputt gehen oder zu Verletzungen führen könnte. Alles darf angefasst und ausprobiert werden. Es gibt mehr Freiheit…

Diese Sachen sage ich mir, wenn ich Bedenken habe. Letztlich als Rechtfertigung gegen mein schlechtes Gewissen. In einer perfekten Welt, in der ich nach der Babypause gleiche Gehaltschancen hätte, einfach alles auf Pause wäre, und am besten mit Putzfrau, da wäre ich vmtl. noch bis 18 Monate zu Hause. Die Welt ist aber nicht perfekt. Keine Liebe ist perfekt. Keine Eltern sind perfekt.
Ist Fremdbetreuung defizitär? Mit Sicherheit. Aber Elternbetreuung ist es auch. Ich kann persönlich dafür garantieren, dass jede noch so beschissene Kita besseres Essen liefert als ich (ich habe Tiefkühlpizza probiert, ich weiß es!). Alles hat Vor- und Nachteile, und sich einzureden, dass Betreuung nur Nachteile und Stay-at-home-Dasein nur Vorteile hat, ist auch naiv.
Auch vernachlässigt es die Bedürfnisse der Eltern. Sicher ist es moralisch äußerst hochwertig, diese unterzuordnen, v.a. bei kleinen Babys vollkommen lebenswichtig. Aber es ist Verdrängung, wenn man sie nicht anerkennt und benennt. Es gibt elterliche Bedürfnisse, und ihre Frustration kann seinerseits zu mehr Stress, Streit, Burnout, Traurigkeit und einem schlechteren Psycho-Klima fürs Kind führen als vielleicht mit entlastender Betreuung.
Man denke nur an viele Alleinerziehende, die ohne Hilfe einen Haushalt mit Baby stemmen müssen. Ich habe zB. Arbeiten immer als pure Entspannung empfunden im Vergleich zum Haushalt mit Kind. Dieses 100%-Daseinmüssen rund um die Uhr. Arbeit ist einfach eine Pause davon. Und man unterschätzt, wie gut das tut. Gerade als Elternteil, der zu Hause bleibt. Man lässt die eigene Arbeit womöglich als klein gelten, weil man kein Geld dafür bekommt…
Wenn man sich diese Dinge bewusst macht, finde ich, wird einfach klar, dass das Thema sehr vielschichtig ist. Dass man nicht einfach yay oder nay rufen kann. Mir jedenfalls fällt es in Anbetracht der unzähligen Vor- und Nachteile schwer, hier ein Plädoyer für eine Seite zu halten.
Um mein Bild von der ganzen Geschichte aber möglichst genau zu machen, werde ich in den nächsten Wochen noch mehr dazu schreiben. Auch zum Erstgespräch soll das nicht alles sein. Es gab an diesem Tag noch viele Gedanken und Störgefühle und viele offene Fragen. Und es wird noch so unsagbar viel zu erleben geben hier und demnächst…
Die Stressphase
Es ist16:30 Uhr. Ich habe erst einmal Milch abgepumpt und bin müde. Für schläfrige Mitarbeiter und welche, die Milch abpumpen wollen (okay, nicht wirklich, vor mir hat das da noch nie gemacht), haben wir da, wo ich arbeite, einen extra Raum. Ist hübsch und ruhig. Wir nennen ihn alle den Yogaraum, weil dort einmal pro Woche Yoga ist. Dann stinkt der Raum ein bisschen so wie der Hörsaal nach einer Klausur und die Matten liegen wieder fein ordentlich gefaltet da.
Ich lege mich drauf, Augen schwer, Kopf dick, Handy stumm. Doch was sehen meine wortwörtlich müden Augen: Das Display leuchtet und auf ihm erscheint eine Münchner Nummer. – Bei Münchner muss ich übrigens immer noch googlen, ob noch ein e rein kommt… – Kommt es nicht. Münchner Merkur. Nicht Münchener Merkur. Die müssen es ja wissen. Wenn man in den Yogaraum geht und ein bisschen darüber meditiert, wird einem auch klar, dass Münchner einfach besser aussieht. Und überhaupt, ist der Bayer ja eher maulfaul und möchte keine zusätzlichen Vokale irgendwo…
Ich gehe also ran, wobei mir das Ding erst mal aus der Hand fällt. Ein Mann sagt „Hallo! Sie hatten mir geschrieben wegen der Wohnung…“ – Oh shit! Also wieder hellwach!!! Aber auch gleichzeitig so im Arsch… Oh nein… doch nicht jetzt. Oh Mann. Okay, doch jetzt. Die erste Antwort in 10 oder so. Ich führe eine nicht ganz akurate Strichliste. Aber allgemein sind mehr Nullreaktionen als „Hey cool, komm doch einfach morgen Abend nach der Arbeit, wenn es dir passt, vorbei!“.
Ich finde diese Videos im Stil der »Mama-Baby-Updates« auf YouTube absolut grauenvoll. Nicht mein Format. Trotzdem habe ich viel davon geguckt, weil es so schön seicht ist, und ja auch für mich als erstesmal schwangere Person jede Menge Informationen enthielt. Wäre nur im Nachhinein etwas angenehmer gewesen, wenn Internetmütter das in weniger mentalen Pastellfarben hätten rüberbringen können. Ich versuche es mal. Allerdings ist die Hirnerweichung, die man durch ein Baby erfährt, schon beträchtlich. Und ich bin auch etwa drölf mal sentimentaler als früher.
Die Vorbereitungsphase
Wohnungssuche lief für mich bislang meistens ungefähr so: 2-3 Tage Anzeigen durchsuchen im Internet. Möglichst schnell möglichst vielen Anbietern schleimige Copy-Paste-Texte schicken. Warten. In meinem einen Jackett, das wie reicher Spießer aussieht, und mit Gehaltszettel bzw. Studenten-Bittsteller-Kotau-Speichellecker-Bürgschaft beim Besichtigungstermin auftauchen. Viel brav nicken und gleichermaßen enthirnt wie interessiert grinsen. (Ich glaube, Makler merken nicht, dass sie die ganze Zeit selbst enthirnt grinsen und halten das womöglich für Höflichkeit. Vielleicht in Ermangelung besagten Hirns…) Dann schön die selbst mit der teuersten Münchner Schickeria-Brille samt Achteldioptrien-Aufpreis noch nicht lesbare 225. Kopie vom Excel-Entblödungszettel ausfüllen. Sich nackt und wehrlos fühlen und ein bisschen ärmer als man eigentlich ist. Warten. Mit etwas Geduld: Mietvertrag unterschreiben.
Das Ding an dieser Retrospektive: Extreme Wartezeiten, großes Glück und Geduld kamen darin nicht vor. Ich habe sie bisher nie gebraucht. Selbst in Erlangen, einer Stadt in der sich angeblich alle um Innenstadtwohnungen kloppen, habe ich nie länger gesucht als zwei Wochen. Schon dafür bekam ich oft diesen Blick, bei dem die Pupillen ganz in die Ecke der Augen rutschen und selbige ein bisschen zugekniffen werden. Keine Ahnung, vielleicht bin ich einfach gut darin, einer Anzeige anzusehen, ob sie scheiße ist und im richtigen Moment ein Telefon zu haben…
Ja. Und dann kam ich hier her. Nach München. Und alle, die schon länger hier gestrandet sind, und obiges Geprahle erstmals hören dürfen, machen dieses altkluge Gesicht. Dieses Gesicht, das ich vmtl. auch immer produziere, wenn jemand etwas furchtbar Lächerliches oder Naives sagt, ich ihm aber nicht sofort mit dem argumentativen Brett eine Gehirnerschütterung verpassen möchte… Kurzes, höfliches Schweigen macht sich breit, und dann wechselt man das Thema.