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Minimalismus Rückblick 2019 / Ausblick 2020

by Undine Almani
Berge (CC0 Foto Credit: Magdeleine)

Zweitausendneunzehn war ein unordentliches Jahr. Voller Versuche, gegen das Chaos anzukommen – mit Selbstoptimierungsversuchen wie aus der Brigitte. Mit hässlichen Kistenstapeln im Schlafzimmer und Erdhaufen auf dem Balkon (ja, richtig gelesen, wenn man mit dem Umtopfen nicht fertig wird, bleibt wortwörtlich irgendwelcher Dreck liegen). Zweitausendneunzehn war kein schönes Jahr, allerhöchstens in Sachen Instagram. Filter drüber und vergessen. Zwanzig könnte besser werden. Wie, weiß ich auch nicht so genau. Gelernt habe ich aus diesem Jahr nämlich vor allem eins: Pläne sind für’n Arsch. Einfach anfangen ist wohl doch das einzig Wahre.

Diese Altklugheit vorweg genommen kann ich dann also mal zusammen tragen, was wie war und was demnächst anders sein soll. Um dem Wunsch nach mehr Ordnung im Hirn gleich einen schriftlichen Beleg zu liefern, mache ich es in Kategorien. Mich fuckt übrigens immer wieder ab, dass man dieses Wort ohne h schreibt.

In and out

Ich habe nicht notiert, wie viel ich neu und alt gekauft habe, aber doch ein ziemlich gutes Gefühl, wie es sich verteilt. Kindersachen würde ich sagen, zu 80% gebraucht, davon 50% geschenkt. Das sind vor allem die Klamotten. Einige wenige habe ich neu gekauft. Meistens saisonale Sachen, deren Kauf ich schlecht planen konnte und bei denen sich der Versand einfach nicht lohnte. Ich kaufe zB. keine gebrauchte Wollstrumpfhose für 5 € + 2,70€ Versand, wenn ich sie im Laden für 9€ neu und ohne Löcher bekomme. Auch einen Wollwalk-Anzug haben wir geschenkt bekommen, weil ich online nur überteuerte Anzüge mich Mottenlöchern gefunden habe. Mir fehlt einfach die Zeit, das zu reparieren bzw. sehe ich nicht ein, fast den vollen Preis für einen schlecht behandelten, kaputten, fusseligen Anzug zu zahlen. Das stört mich auch ehrlich gesagt an der ganzen fancy Gebrauchtkultur online. Die Preise sind oft geprägt davon, dass die Leute nicht loslassen können und nur den Wertverfall sehen. So kaufe und verkaufe ich aber nicht. Wenn ich etwas verkaufe, frage ich mich immer, ob es das heute noch wert ist und nicht, ob es das mal wert war. Das ist übrigens auch ein guter Grund, um auf Billigprodukte zu verzichten. Bei denen ist der Wertverfall nämlich am größten.

2020 möchte ich die Sachen, die ich kaufe und die, die ich verkaufe oder loswerde, konkret festhalten. Entweder fotografisch oder als Video.

Fair, nachhaltig, gebraucht

Wolle, Wolle-Seide und Baumwoll-Sachen haben wir – falls neu – möglichst nachhaltig gekauft, wenn auch nicht immer fair. Ich selbst habe 2019 weniger als 20 Kleidungsstücke gekauft (gebraucht und neu). Das klingt wenig aber ist für mich viel. Normalerweise bin ich so bei 10. Der Grund für die vielen Sachen war, dass einige irreparabel kaputt gegangen sind. Andere haben alte Sachen ersetzt, die mir nicht mehr passten oder nicht mehr gefielen.

Capsule Wardrobe

Ich habe eine Capsule Wardrobe. Aber sie ist bei weitem nicht perfekt. Mein Ziel für 2020 ist, mich bis Ende des Jahres von allen unnötigen Sachen zu trennen, die nicht mehr in die Garderobe passen.

Ich denke in letzter Zeit immer öfter darüber nach, wie alt ich bin und bei wie vielen Sachen ich immer gedacht hatte, ich hätte sie bis jetzt raus. Meinen eigenen Stil zum Beispiel. Ja. Er hat sich kaum geändert. Aber ich bin irgendwie, obwohl ich mich mit meinen 35 ja nun gut genug kenne, oft trotzdem noch nicht konsequent genug. Auch mir passiert es noch, dass ich Farben kaufe, von denen ich weiß, dass sie mir nicht stehen.

Was ich aber deutlich besser als vielleicht vor 10 Jahren kann, ist im Laden nachzudenken. Ich kann mir selbst oft und gut Nein sagen. Wenn der Schnitt nicht passt und ich das weiß und sehe, dann rede ich mir nichts schön. Ich kaufe es einfach nicht. Gleichzeitig habe ich aber auch so eine Art FOMO was schöne Dinge angeht. Mit 25 habe ich mich der 30 weniger nahe gefühlt als jetzt der 40. Diese Zahl ist so kacke (sorry, Frauen über 40, ich weiß, es ist eigentlich ein tolles Alter für viele). Ich verbinde damit hauptsächlich müde sein, Falten, Augenringe. Ich kann mir mich mit 40 nicht in glänzend vorstellen. Und mein Wunsch ist einfach nur, fit zu bleiben (oder zu werden, wo ich es nicht bin) und nicht noch mal fünf Jahre zu brauchen, um all die schönen Dinge in meinem Leben zu haben, die ich will und die es bereichern. Ich möchte das jetzt. Und deswegen wird 2020 vielleicht etwas mehr Konsum für mich aber auch mit einem Sinn.

Umzug nach zu Hause

Mit das krasseste Ding war wohl unser Umzug nach München rein. Von einem Vorortkaff nach Pasing. Da steppt jetzt auch nicht gerade der Bär aber es ist an der Stammstrecke und das ist schon ziemlich genial. Wir haben 1,5 Jahre nach der Wohnung gesucht und wir wissen, dass wir nicht so bald wieder umziehen werden. Falls Flauschi ein Einzelkind bleibt und niemand Eigenbedarf anmeldet, vielleicht die nächsten 10 Jahre nicht. Der Gedanke, noch 10 Jahre in München zu sein ist trotzdem komisch. Ich könnte mir besser vorstellen, in Kanada oder Frankreich zu leben. Nur leider sind das jetzt auch nicht die Hochburgen der Laserphysik.

2020 soll es irgendwie mehr zu Hause werden. Sowohl München als auch unsere Bude. Zu Hause heißt für mich, dass es gemütlich und ordentlich ist. Das ist es noch nicht. Es ist schön, es ist hell, das Wichtigste funktioniert. Aber die Lampen hängen noch nicht. Der Keller ist voll. Es ist viel, das weg soll, vieles davon seins und nicht meins. Wie schön wäre es, nach einem Jahr zu sagen: Wir sind es los!

In Sachen Minimalismus bin ich aber trotzdem zufrieden(er) mit unserem Wohnen. Wir haben zu dritt in einer 2-Zimmer-Wohnung gelebt, bei der ein Zimmer an der Küche hing. Jetzt wonen wir in einer Familien-WG: Jeder hat sein eigenes Zimmer. Das war eine riesige Verbesserung und entspannt den ganzen Alltag. Ein Umzug heißt ja immer, dass es erstmal schlimmer wird – aber dann halt doch besser. Das ist ein langweiliger, langer Prozess, wenn man gleichzeitig ein Kind bespaßen und auch mal schlafen muss. Ich bin unglaublich froh, dass wir trotz aller Desillusionierung um den Münchner Wohnungsmarkt den Absprung geschafft haben.

Reisen

Letztes Jahr waren wir in der Bretagne, im Sommer. Im Frühjahr waren wir in einem Skigebiet bei München. Das war auch schön aber jetzt nicht der letzte Schrei. Mehr so ein Ort, an dem man wirklich nur im Winter sein kann, weil man sonst wahnsinnig wird. Ein Ort, der ohne Schnee zu bayerisch für mich ist.

Ich habe keine Ahnung, wo es 2020 hingehen soll. Irland wäre toll oder wieder Frankreich. Hauptsache nicht Österreich. Irgendwie scheint Österreich bei Münchner Eltern so ein Ding zu sein. Wenn man da hin gurkt, kann man hinterher behaupten, man hat nicht in Deutschland Urlaub gemacht. Und es ist ja so schön „für die Kinder“.

Sachen „für die Kinder“ machen, davon habe ich mich nicht mal verabschieden müssen. Ich habe mit diesem Geschwätz noch nie etwas anfangen können und es stellt für mich nichts dar, das ich jemals möchte. Ich will Urlaube, die für alle schön sind. Vor allem aber für uns Eltern. Urlaube mit Kultur, Natur. Und wenn da mal ein Spielplatz ist, dann kann man da ja hin gehen. Alles andere ist für mich Österreich (Wien ausgenommen, das geht mal).

Egal wo es 2020 hin gehen soll, eins ist mir unglaublich wichtig. Dass die Planung mal nicht drei Wochen vorher anfängt. In einem neurotischen Anfall von „Scheiße, wo fahren wir Ostern hin?“ oder mit der überraschenden Ankündigung von irgendeinem Familienteil „Kommt ihr uns besuchen?“ oder „Kann ich nächste Woche vorbeikommen?“, die man in Ermangelung vernünftiger Pläne nicht mal ablehnen, und sich dann in Konsequenz 5 Tage mit den Softwareproblemen eines veralteten Fernsehers beschäftigen kann… Diesmal, diesmal buche ich den Urlaub drei Monate vorher! (Famous last words.)

Projekte

Mein größtes Projekt 2019 war Lowwaste Living. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Allein dadurch habe ich schon so viele neue tolle Leute getroffen. Das wird weiter gehen. Mein größter Wunsch ist es dabei, noch mehr Leute aus der Zerowaste-Szene in München kennen zu lernen. Wirklich persönlich, und mal zu reden. Das gilt übrigens auch für die Minimalismus-Community und darf an dieser Stelle gern als offene Einladung zum Café/Kaffee gelesen werden.

Mehr machen will ich auch auf YouTube. Oder überhaupt mal was machen. YouTube ist für mich leider immer die Abwägung von Qualität und Masse. Aber ich sehe leider auch: Viele Leute machen ähnliche Sachen in weniger überlegt mit mehr Erfolg. Und dann fragt man sich: Alles aufschieben, nur weil man mit dem Schnitt nicht 100% zufrieden ist – ist das echt besser? Sollte ich nicht besser drauf scheißen und mal überhaupt was hochladen? Deswegen auch oben mein vorgezogenes Fazit. Überhaupt anfangen ist oft besser als ewig planen.

Fazit Fazit Fazit

„Einfach anfangen!“ ist mein Motto für 2020. Denn das ist meine Lehre aus dem letzten Jahr. Ich habe zu oft mit Dingen gar nicht erst angefangen, aus Angst, dass sie nicht gut (genug) werden. Ich glaube, das war ein Fehler. Ich muss zumindest probieren, das zu ändern. Andere Vorsätze habe ich noch nicht. Ich finde Vorsätze aber nicht grundsätzlich dumm. Wenn sie helfen, sich selbst daran zu erinnern, was man machen will, sind sie doch nützlich. Auch, dass man das gerade zum Jahreswechsel macht, ist doch nicht schlecht. Die Kalender sind neu, leer und schön. Anfänge und Zauber. Das ist nicht albern, das ist menschlich. Ich nehme mir das, und ich finde es vielleicht nicht hochmotivierend aber schon einigermaßen sinnstiftend. 2019 hatte ich kaum Zeit für Pläne, kaum Zeit zum denken oder für mich. Mein Baby war so klein und wir waren so viel mit uns beschäftigt. Ja, das soll anders werden. Wenn ich „einfach anfangen“ kann, jeden Tag aufs Neue, dann wird mit jedem Tag die Chance größer, dass die Dinge erledigt werden. Dieses Motto ist eine Methapher für Konsequenz mit sich selbst. Das, was vielleicht vielen fehlt, die jedes Jahr die Ziele vom letzten Jahr wieder rausholen und irgendwann den Zettel entsorgen. Nein, man braucht keine „guten Vorsätze“. Es reicht einer!

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4 comments

Ramona 8. Januar 2020 - 21:42

Ja, dieses “einfach machen”-ding …
Habe ich auch gemerkt, dass ich viel mehr aufschiebe bzw mehr in meinem Kopf stattfand und dann war das Jahr vorbei ??
Nehme ich mir aus deinem Blogeintrag mit, danke.
Zu youtube: einen deiner livestreams habe ich mal gesehen und fand ihn super lustig, auch wenn ich die themen nicht mehr im kopf hatte ?

Viele Grüße, Ramona

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Undine Almani 8. Januar 2020 - 21:14

Danke dir. Ja, die Themen waren ziemlich gemischt. Livestream find ich eigentlich eine tolle Sache aber lohnt sich nicht, wenn man selten postet und immer die Fans vernachlässigt…

2019 war einfach so zäh. So langsam und wir waren immer nur müde. Man merkt immer erst hinterher, wie viel man gern gemacht hätte…

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Nadine 12. Januar 2020 - 00:07

Ich kann diese Aufbruchsstimmung gut nachvollziehen, diese aus diesem Kleinkindkosmos rauskommen und wieder andere Pläne schmieden, oder eben einfach umsetzen zu können. Wir haben dieses Jahr den ersten Winter ohne Kinderkrankheiten (ich bin blöderweise selbst schon genug krank gewesen) und renovieren jetzt das vorletzte Zimmer in unserem Haus (ca. 120 qm, viele kleine Zimmer, 12 bis ca. 16 qm groß…). Sonst mussten wir dabei immer das Kind bespaßen, jetzt guckt es beim Renovieren einfach zu, und kann neben an im Zimmer alleine spielen. Das ist schön so was zu machen und gleichzeitig zusammen zu sein…
Mittlerweile ich das Kind 4 und wir haben im Verhältnis zu anderen immer noch wenig, jedoch auch schon mehr als genug (Lego!). Ich will dieses Jahr noch gezielte alte Sachen auftragen und insgesamt durch das Auftragen und nicht ersetzen, meine Garderobe noch ein klein wenig reduzieren. Ich stricke ein paar Dinge, die ich brauche wie Stulpen aus Baumwolle statt aus Wolle, weil Neurodermitis… Der Knackpunkt bei mir an meinem Minimalismus war mein Kaufverhalten. Ich habe mir einfach doch immer wieder Dinge gekauft, die ich auch benutzen kann, von denen ich insgesamt viel zu viele angesammelt habe. Da ich die jedoch gar nicht aussortieren will, sondern gezielt aufbrauche, habe ich jetzt ein Low Budget Year (nenn es wie du willst) gestartet. Ich kaufe nur noch Dinge, die wirklich notwendig sind, und die ich wirklich brauche. Das klappt bisher gut. Ich habe da für mich eigene und sinnvolle Regeln geschaffen.
Ansonsten bin ich einfach immer wieder froh, mich nicht um so viel Kram kümmern zu müssen. Wir leben definitiv nicht asketisch, und trotzdem ich schaffe es fix aufzuräumen, und ich habe langsam eine gute Putzroutine (ich habe früher Putzen gehasst!).
Ich will auch mich bisschen liebevoller um meinen Garten kümmern, und ansonsten vor allem meditieren und da meine Praxis verfeinern, mich auf die Stille konzentrieren. Das ist ein Ziel, was nach dem Minimalismus erst für mich entstanden ist.
Was für mich nämlich auch wieder klar geworden ist: Wäre ich in einer anderen Lebensphase, hätte ich weniger „Gepäck“, dann träume ich von einer gemütlichen zwei Zimmer-Wohnung im Hochhaus mit einem wunderbaren Weitblick (so hab ich mal kurz gewohnt).
2020. Atem. Aufbrauchen. Putzen. Sparen.
Das sind meine persönlichen Ziele. Lesen sowieso, und immer auch Zeit. Zeit für die eigene kleine Familie und für Freunde. Wenn ich in München wohnen würde, dann würde ich die Einladung zu einem persönlichen Treffen gerne annehmen.
LG Nadine

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Undine Almani 12. Januar 2020 - 21:17

Verrückt. Jetzt, wo du es sagst. Dieser Winter (die Virusgrippesaison kommt ja noch) war auch unser erster ohne Schnupfen. Aber es ist ja auch nicht kalt.

Das mit dem Kaufen ging mir immer mal wieder ähnlich. Auch wenn man oft und viel hinterfragt, denkt man ja doch nicht ununterbrochen nach und kauft nicht immer bewusst. Ich finde das auch nicht super schlimm, solange man es irgendwann merkt und sich dann wieder aktiv zurück bringt auf den Weg, auf dem man lang wollte… Mir ging es während des Studiums in Erlangen so, dass ich einfach keine Zeit zum Ausmisten hatte und viele kleine billige Dinge angehäuft habe. Nach drei Umzügen war das aber auch wieder weg. Wie sagt man so schön: Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt. Auch, weil ich viel verschenkt habe. In der Wut und dem Frust, einfach weil ich einen Rappel bekam und es nicht einpacken wollte.

PS. Ich trink dann morgen früh meinen Kaffee auf dich 😉

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